Brandbrief: Gesprächs- und Handlungsbedarf zur psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

im Koalitionsvertrag Ihrer Bundesregierung wurde festgehalten, dass die Versorgung psychisch erkrankter Menschen verbessert werden soll. Vor allem wurde der Ausbau von Vertragspsychotherapeutensitzen (Kassensitzen) durch eine Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung betont. So sollten Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz reduziert werden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch keine Gesetzesänderung bezüglich einer solchen Reform zu verzeichnen.

W#hrenddessen leidet jährlich über ein Viertel der deutschen Bevölkerung an psychischen Erkrankungen [1] [2], welche eine immense volkswirtschaftliche Belastung, etwa durch Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung, darstellen [3] [4]. Diese Probleme potenzieren sich, zum Beispiel durch Chronifizierung, wenn eine angemessene und zeitnahe Behandlung ausbleibt. Die ambulant psychotherapeutische Unterversorgung hat sich durch die COVID-19-Pandemie noch einmal deutlich verschärft [5]. Zudem möchten immer mehr Betroffene eine Psychotherapie wahrnehmen, was auf eine zunehmende Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen zurückzuführen ist [6]. Während diese Entwicklung grundsätzlich sinnvoll und begrüßenswert ist, sollte der steigende psychotherapeutische Bedarf auch adäquat gedeckt werden.

Mit großer Sorge und Unverständnis über die fehlenden notwendigen Veränderungen der ambulanten Behandlungssituation psychisch erkrankter Menschen wenden wir uns – ein Bündnis aus (Fach-)Verbänden und Vereinen [7]- geschlossen an Sie.

Die langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz müssen ein Ende haben! Die bisherigen Veränderungen im Rahmen der Gruppentherapie [8] sowie die neue strukturierende und koordinierende Richtlinie im G-BA [9] lösen die Kernproblematik der Mangelversorgung nicht, sondern führen teilweise sogar zu neuen Problemlagen. Die Maßnahmen der Strukturreform von 2017 hinsichtlich psychotherapeutischer Sprechstunden und Akutversorgung, Gutachterpflicht zur Kurzzeittherapie und erweiterter Gruppenpsychotherapie konnten die Wartezeiten auf ambulante Psychotherapieplätze nicht verringern [6]. Die in den letzten Jahren geschaffenen zusätzlichen Kontingente an psychotherapeutischen Kassensitzen werden dem Bedarf nicht ansatzweise gerecht [10] [11] [12], vor allem nicht in ländlichen und strukturschwachen Gebieten [13] [14].
Die derzeitige psychotherapeutische Unterversorgung ist für psychisch erkrankte Menschen nicht tragbar. Wir bitten Sie daher um einen zeitnahen Gesprächstermin, um den Sachverhalt mit Ihnen zu erörtern. Es braucht zeitnah einen Lösungsvorschlag, um die Wartezeiten in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung abzubauen. Wir bitten daher um eine zeitnahe Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen

Hendrikje ter Balk,
Vorstand BPSG e.V.

Quellen

[1] Jacobi, F., Höfler, M., Strehle, J. et al (2014). Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Nervenarzt, 85, 77–87. https://doi.org/10.1007/s00115-013- 3961-y
[2] Jacobi F., Höfler, M., Strehle, J. et al (2016). Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt, 87, 88–90. https://doi.org/10.1007/s00115- 015-4458-7
[3] Nübling, R., Bär, T., Jeschke, K., Ochs, M., Sarubin, N. & Schmidt, J. (2014). Versorgung psychisch kranker Erwachsener in Deutschland. Bedarf und Inanspruchnahme sowie Effektivität und Effizienz von Psychotherapie. Psychotherapeutenjournal, 13(4), 389-397.
[4] Deutsche Rentenversicherung (2022). Rentenversicherung in Zeitreihen. Verfügbar unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken-und- Berichte/statistikpublikationen/rv_in_zeitreihen.html
[5] Rabe-Menssen, C. (2021). Patientenanfragen während der Corona-Pandemie. Verfügbar unter: https://www.dptv.de/fileadmin/Redaktion/Bilder_und_Dokumente/Wissensdatenbank_oeffentlic h/Umfragen/DPtV_Umfrage_Corona-Patientenanfragen_Februar_2021.pdf
[6] Bundespsychotherapeutenkammer. (2018). Ein Jahr nach Reform der Psychotherapierichtlinien. Wartezeiten 2018. Verfügbar unter: https://www.bptk.de/wp- content/uploads/2019/01/20180411_bptk_studie_wartezeiten_2018.pdf
[7] https://psyfako.org/verbesserung-der-psychotherapeutischen-versorgung/
[8] https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/913/
[9] https://www.g-ba.de/richtlinien/126/
[10] Sundmacher, L., Schang, L., Schüttig, W., Flemming, R., Frank-Tewaag, J., Geiger, I. et al. (2018). Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung i. S. d. §§ 99 ff. SGB V zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung. Verfügbar unter: https://www.hsm.bwl.uni- muenchen.de/forschung/gutachten/bpl-gutachten-zusammenfassung.pdf
[11] Bundespsychotherapeutenkammer. (2018). Ein Jahr nach Reform der Psychotherapierichtlinien. Wartezeiten 2018. Verfügbar unter: https://www.bptk.de/wp- content/uploads/2019/01/20180411_bptk_studie_wartezeiten_2018.pdf
[12] Bundespsychotherapeutenkammer. (2019). Willkürliche Berechnung und formaler Fehler. Verfügbar unter: https://www.bptk.de/willkuerliche-berechnung-und-formaler-fehler/
[13] Bundespsychotherapeutenkammer. (2017). Weiterhin viel zu wenig Psychotherapeuten im Ruhrgebiet. Verfügbar unter: https://www.bptk.de/weiterhin-viel-zu-wenig-psychotherapeuten- im-ruhrgebiet
[14] Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen. (2017). Psychotherapeutische Versorgung im Ruhrgebiet weiterhin skandalös unzureichend – enttäuschende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Verfügbar unter: https://www.ptk- nrw.de/aktuelles/meldungen/detail/psychotherapeutische-versorgung-im-ruhrgebiet-weiterhin- skandaloes-unzureichend-enttaeuschende-entscheidung-des-gemeinsamen- bundesausschusses-g-ba

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Pressemitteilung des PsyFaKo e.V. und TherapieplätzeJetzt zur Ankündigung einer Demonstration für eine bessere ambulante psychotherapeutische Gesundheitsversorgung